Landwirtschaft mit oder ohne Nutztiere?

Zur Person:

Ulrich Mück, 63 Jahre alt, ist Agraringenieur. Nach dem Abitur absolvierte er eine landwirtschaftliche Lehre und studierte in Witzenhausen Agrarwirtschaft. Seit 1988 ist er Demeter-Berater in Bayern mit den Schwerpunkten Grünland, Milchkühe und Stallbau. Von 1994 bis 2012 war er außerdem Geschäftsführer der Demeter-Beratungsorganisation. Er arbeitet freiberuflich in Beratungs- und Forschungsprojekten, unter anderem zur Haltung horntragender Milchkühe im Laufstall und zur kuhgebundenen Kälberaufzucht. Veröffentlichungen schrieb er beispielsweise zu Ernährungsökologie des Grünlands und Ernährungsökologie von Milch und Fleisch.

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Donnerstag, 24.11.22 | 11:15 - 13:00 Uhr
Landwirtschaft mit oder ohne Nutztiere?

Die gemeinsame Kulturgeschichte der Menschen und ihrer landwirtschaftlichen Haus- und Nutztiere ist sehr groß. Darin ist und war eine tierische Ernährung wesentlich für die Existenz und Entwicklung der Menschen. Fragestellungen, die sich von einer Ernährung mit tierischen Lebensmitteln abwenden möchten oder eine Landwirtschaft ohne Tiere propagieren, müssen die Oberflächen der Erde berücksichtigen die landwirtschaftlich nutzbar sind, sowie die Wirkungen einer rein pflanzlichen Ernährungsausrichtung.

Dauergrünland wird durch die landwirtschaftlichen Nutztierarten der Wiederkäuer und Pflanzenfresser in die Lebensmittel Fleisch und Milch verwandelt und auf den Ackerflächen entstehen sowohl vielfältige pflanzliche Nahrungsmittel zum direkten Verzehr der Menschen als auch Futtermittel für Tiere, die wiederum die Lebensmittel hervorbringen. Die „acker-ernährten“ Tiere allerdings stehen in Nahrungskonkurrenz zum Menschen.

Für nachhaltige Ernährung und Ernährungssicherung sind Tiere für die Nutzung des landwirtschaftlich nicht nutzbaren Dauergrünlands sowie des Anteils an „künstlichem Grünland“ im Acker (Kleegras) unverzichtbar. Für nachhaltigen Ökolandbau, Biodiversität, Humuserhaltung und -aufbau, Klimafolgenminderung und Ernährungssicherheit sind die (Weide)Tiere des Grünlands darüber hinaus von herausragender und zunehmend künftiger Bedeutung.

 

 

Zur Person:

Anja Bonzheim (M. Sc.) hat Öko-Agrarmanagement an der HNE Eberswalde studiert und sich schon während ihres Studiums mit der Thematik befasst, wie Ökolandbau ohne Nutztierhaltung funktionieren kann. Seit dem Jahr 2018 ist sie im Vorstand des Förderkreises Biozyklisch-Veganer Anbau e.V., koordiniert dort seit vergangenem Jahr das Projekt „Veganer Ökolandbau“, berät Betriebe und hält Vorträge zum Thema. 

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Donnerstag, 24.11.22 | 11:15 - 13:00 Uhr
Landwirtschaft mit oder ohne Nutztiere?

Für eine nachhaltige Landwirtschaft brauchen wir keine Nutztierhaltung.1 In Zeiten der voranschreitenden Klimakrise, die zukünftige Generationen in ihrer Ernährungssouveränität bedroht, müssen wir die Landwirtschaft transformieren, sodass sie ihr Potenzial entfalten kann.2 Neben der stabilen Bindung von Kohlenstoff und Stickstoff durch Dauerbegrünung, konsequenten Humusaufbau, Förderung eines gesunden Bodenlebens, und vielfältigen, leguminosenbetonten Fruchtfolgen müssen vor allem die Tierbestände sehr schnell abgebaut werden. Wir tragen als Land des Globalen Nordens Verantwortung, Verbesserungen dort umzusetzen, wo es machbar ist!

Die schlechte Kalorienbilanz, die aufgrund von ineffizienter Landnutzung (Ackerfutterbau) vorliegt3 und die hohen Klimaemissionen tierischer Nahrungsmittel4, 5 sollten uns die Nutztierhaltung stark hinterfragen lassen. Eine Nutzung von Ackerland, welches weltweit zu mehr als 30 % der Produktion von Tierfutter dient6, für den direkten menschlichen Konsum anstatt zur Verfütterung ist der erste Schritt. Würden alle pflanzlichen Lebensmittel ausschließlich für den direkten menschlichen Verzehr verwendet und würde der Anteil tierischer Eiweiße in unserer Ernährung reduziert, gäbe es genug Nahrungsmittel, um 10 Milliarden Menschen nachhaltig zu ernähren.7

Der biozyklisch-vegane Anbau stellt eine konsequent vegane Produktion ab Feld sicher und schließt sowohl die Nutztierhaltung, als auch die Verwendung tierischer Dünge- und Betriebsmittel, wie Gülle oder Schlachthofabfälle aus. Besonderer Wert wird auf die Förderung der Artenvielfalt durch Anbauvielfalt und Habitatstrukturen sowie den Aufbau von Humus gelegt. Legume Aufwüchse werden als Biomasse zur Düngung verwendet und damit Stoffkreisläufe oft kürzer gehalten.8

Die ganzjährige Weidehaltung auf schlecht befahrbaren Grünlandstandorten kann als letztes abgebaut werden. Grünlandaufwuchs kann zur Produktion von Biomasse zur Kompostierung, für Cut and Carry oder zur Energiegewinnung genutzt werden. Je nach ökologischer Wertigkeit bzw. Artenzusammensetzung kann es auch mit „Lebenstieren“ beweidet, renaturiert oder der natürlichen Sukzession überlassen und so wieder zu artenreichem Wald werden.8

Tiere fühlen Schmerz und Trauer, ähnlich wie wir.9 Die kommerzielle Tierhaltung, die häufig (auch im Ökolandbau) die Bedürfnisse der Tiere hinter die Wirtschaftlichkeit stellt, führt in den allermeisten Fällen zu vermeidbarem Leid für die Tiere. Vegane Ernährung ist gesund, besser fürs Klima10 und ressourceneffizient.11 Weshalb also dieses Leid erzeugen?

 

1 Umweltbundesamt (2020): Nischeninnovationen in Europa zur Transformation des Ernährungssystems -NEuropa, Steckbriefsammlung. Unter: https://www.nahhaft.de/fileadmin/NAHhaft_Website/2_Projekte/Neuropa/2020-07-02_texte_119-2020_neuropa_de_0.pdf, S. 79

2 Zukunftsstiftung Landwirtschaft (2021): Zukunft Landwirtschaft. Eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe - Empfehlungen der Zukunftskommission Landwirtschaft. Unter: https://www.bundesregierung.de/resource/blob/997532/1939908/5ca2df8c0db1c4353d541166a9751537/2021-07-06-zukunftskommission-landwirtschaft-data.pdf?download=1, S. 5

3 Tilman D, Clark M (2014) Global diets link environmental sustainability and human health. Nature 515(7528) S. 518–522.

4 Xu, X., P. Sharma, S. Shu, et al. (2021): Global greenhouse gas emissions from animal-based foods are twice those of plant-based foods. Nature Food 2(9), S. 724–732

5 Umweltbundesamt (2022): Lachgas und Methan: Unter: https://www.umweltbundesamt.de/themen/boden-landwirtschaft/umweltbelastungen-der-landwirtschaft/lachgas-methan

6 Steinfeld, H., P. Gerber, T. D. Wassenaar, et al. (2006): Livestock’s long shadow: environmental issues and options. FAO

7 Cassidy, E. et al. (2013): Redefining agricultural yields: from tonnes to people nourished per hectare. Environmental Research Letters 8(3)

8 Förderkreis Biozyklisch-Veganer Anbau e.V. (2022): Biozyklisch-veganer Anbau leicht gemacht – Eine Schritt-für-Schritt-Anleitung. Unter: https://biozyklisch-vegan.org/anbauleitfaden/, S.32ff

9 Bekoff, Marc (2000): Animal Emotions: Exploring Passionate Natures - Current interdisipinary research provides compelling evidence that many animals experience such emotions as joy, fear, love, despair, and grief – we are not alone. Unter: https://academic.oup.com/bioscience/article/50/10/861/233998

10 Poore, J., & Nemecek, T. (2018). Reducing food’s environmental impacts through producers and consumers. Unter: https://ourworldindata.org/environmental-impacts-of-food

11 Springmann, M. et al. (2016): Analysis and valuation of the health and climate change cobenefits of dietary change. Unter: https://www.pnas.org/doi/10.1073/pnas.1523119113